Das Urteil by John Grisham

Das Urteil by John Grisham

Autor:John Grisham [Grisham, John]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455024968
Herausgeber: Hoffmann und Campe
veröffentlicht: 1996-01-01T23:00:00+00:00


19

Am Freitag nachmittag ignorierte Fitch den Prozeß. Es waren dringlichere Dinge eingetreten, die einen seiner Geschworenen betrafen. Er schloß sich mit Pang und Carl Nussman in einem Konferenzzimmer in Cables Kanzlei ein, wo sie eine Stunde lang auf die Wand starrten.

Es war ausschließlich Fitchs Idee gewesen, ein Schuß ins Blaue und eine seiner bisher vagesten Vermutungen, aber er wurde dafür bezahlt, daß er unter Steinen wühlte, die sonst niemand umdrehen würde. Wer Geld hatte, konnte getrost vom Unwahrscheinlichen träumen.

Vier Tage zuvor hatte er Nussman den Auftrag erteilt, sämtliche Geschworenenunterlagen vom Cimmino-Prozeß vor einem Jahr in Allentown, Pennsylvania, herbeizuschaffen. Die Cimmino-Jury hatte sich vier Wochen lang Zeugenaussagen angehört und dann ein weiteres Urteil zugunsten der Tabakkonzerne gesprochen. Für den Prozeß in Allentown waren dreihundert potentielle Geschworene vorgeladen worden. Einer von ihnen war ein junger Mann namens David Lancaster gewesen.

Die Akte über Lancaster war dünn. Er arbeitete in einem Videogeschäft und behauptete, Student zu sein. Er lebte in einer Wohnung über einem schlechtgehenden koreanischen Lokal und bewegte sich offenbar nur per Fahrrad fort. Es gab keinerlei Anhaltspunkte für ein anderes Fahrzeug, und im Archiv des Countys gab es keine Unterlagen, daß für einen auf seinen Namen zugelassenen Wagen Steuern gezahlt wurden. Auf seiner Geschworenenkarte stand, daß er am 8. Mai 1967 in Philadelphia geboren war, aber das war zur Zeit des Prozesses nicht überprüft worden. Es hatte keinen Grund zu der Annahme gegeben, daß er log. Jetzt hatten Nussmans Leute festgestellt, daß das Geburtsdatum tatsächlich frei erfunden war. Auf der Karte stand auch, daß er nicht vorbestraft war, im letzten Jahr im County nicht als Geschworener fungiert hatte und wahlberechtigt war. Er hatte sich fünf Monate vor Prozeßbeginn in die Wählerlisten eintragen lassen.

An der Akte war nichts Ungewöhnliches außer der handschriftlichen Notiz eines Beraters, die besagte, daß die Gerichtskanzlei, als Lancaster sich zu Prozeßbeginn als Geschworener meldete, keine Unterlagen über seine Berufung hatte. Er hatte aber eine allem Anschein nach echte Vorladung vorgewiesen und war akzeptiert worden. Einer von Nussmans Beratern hatte vermerkt, daß Lancaster offenbar viel daran lag, als Geschworener zu fungieren.

Das einzige Foto des jungen Mannes war aus der Ferne aufgenommen, während er mit seinem Fahrrad zur Arbeit fuhr. Er trug eine Mütze, eine dunkle Sonnenbrille, hatte lange Haare und einen dichten Bart. Eine von Nussmans Mitarbeiterinnen unterhielt sich mit Lancaster, während sie ein paar Videos auslieh, und meldete, daß er ausgeblichene Jeans, Birkenstocks, Wollsocken und ein Flanellhemd trug. Das Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengerafft, der in seinem Kragen steckte. Er war höflich, aber nicht gesprächig.

Als die Nummern ausgelost wurden, erwischte Lancaster einen schlechten Platz, aber er überstand die ersten beiden Wahldurchgänge und saß nur noch vier Reihen entfernt, als die Jury zusammengestellt war.

Seine Akte wurde daraufhin sofort geschlossen.

Und jetzt war sie wieder offen. In den letzten vierund zwanzig Stunden hatten sie herausgefunden, daß David Lancaster einen Monat nach dem Ende des Prozesses aus Allentown verschwunden war. Sein koreanischer Hauswirt wußte nichts. Sein Chef in dem Videogeschäft sagte, er wäre eines Tages nicht zur Arbeit erschienen und hätte nie wieder von sich hören lassen.



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